Architektur Forum Ostschweiz

Zähes Ringen um gute Architektur

Der Kanton Glarus und das Fürstentum Liechtenstein lassen heikle Baufragen durch Gestaltungskommissionen beurteilen. Viel Macht haben die Gremien nicht – aber auf lange Sicht stützen sie die Baukultur. Kritische Fragen zur Qualität und Angemessenheit sind an der Tagesordnung.

Beitrag vom 22. März 2014

Text: Marina Hämmerle

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Gestaltungkommissionen oder -beiräte sind im deutschsprachigen Raum ein verbreitetes Instrument zur Qualitätssicherung in Architektur und Städtebau. Die Rolle dieser Gremien kann sehr unterschiedlich interpretiert werden und hängt von den rechtlichen Grundlagen, der wirtschaftlichen Ausgangslage und den Bedürfnissen der jeweiligen Region ab. Schon seit 1920 kennt Bern mit der «Kommission zur Begutachtung ästhetischer Fragen» das Instrument zur Qualitätssicherung. Zürich und Baden setzen ebenfalls seit den 1970er-Jahren auf externe Beurteilung, andere Städte folgten.

Verschiedene Modelle

Im Kanton Glarus und in Liechtenstein unterscheiden sich Ausgangslage, Verwaltungsstruktur und Ent­scheidung­sprozesse bei Bau­prozessen deutlich. Selbst innerhalb der drei neu geformten Glarner Gemeinden sind Differenzen bei den Bewilligungs­verfahren auszumachen. Die ehemals 24 Bau­verwaltungen mit ihren verschiedenen Bebauungs­plänen werden derzeit durch drei separate kommunale Richt­pläne auf den neuesten Stand gebracht, die Revision des kantonalen Raum­entwicklungs- und Bau­gesetzes führte 2011 neue Standards ein.

Bevölkerungsentwicklung und Lage stellen die drei Gemeinden vor unterschiedliche Herausforderungen: im Norden Siedlungsdruck, in der Mitte Verdichtung und im Süden Rückbau. Jede Gemeinde hat deshalb ein eigenes Gremium. In Glarus Nord ist der Druck auf künftiges Bauland hoch, die Nähe zu Zürich lässt viele auf günstigeren Boden ausweichen. Zehn Überbauungsvorhaben warten derzeit auf eine Bewilligung, rund 850 Wohnungen sind davon betroffen. Unternehmer wollen in den logistisch günstigen Standort investieren und trachten nach grossflächigen Gewerbeobjekten. Die Gestaltungskommission Glarus Nord startete 2011 als erste. Das Gremium ist interdisziplinär besetzt: Vertreten sind Fachjournalisten, Denkmalpfleger, Raumplaner und Architekten. Bei Bedarf werden weitere Experten beigezogen. Das Gremium begutachtet und begleitet fast ausschliesslich Überbauungsplanungen, immer anhand eines Modells im Massstab 1:500 – Transparenz ist die Devise. Die Kriterien der Kommission lassen sich deshalb auch als Merkblatt herunterladen. Die Kommission sieht sich aber mit diversen Hindernissen konfrontiert. Neben wirtschaftlichen und politischen Interessen ist der politische Prozess ebenfalls oft ein Hemmschuh. Nach der Begutachtung durch die Kommission gehen die Pläne zuerst an Parlament und Gemeinderat, danach kommen sie in die Gemeinde­versammlung. Der Gemeindepräsident vertritt die Empfehlung der Kommission, wobei er die Bürgerinnen und Bürger nicht immer vom Projekt überzeugen kann. So stösst beispielsweise die Änderung eines grossen Investoren­projekts auf wenig Gegen­liebe in der Bevölkerung. Aus den vier ursprünglich hohen, punkt­förmigen Wohnhäusern «Im Feld» in Näfels wurde nach der Überzeugungs­arbeit der Kommission eine Blockrand­bebauung – zu urban, zu geschlossen, zu fremdartig für die Bevölkerung (siehe Bilder oben). Die Gemeindeversammlung könnte nun den Vorschlag der Kommission mit ihrem Veto unterwandern.

Kernzone verdichtet

In Glarus Mitte ist Innenverdichtung und Ordnung im Bestand das bestimmende Thema für die Gestaltungs­kommission. Beigezogen wird sie nach Ermessen der Bau­kommission. Es geht um das Einfügen ins Ortsbild der Kernzonen, ums Schaffen von qualitativen Freiräumen und Lancieren von Konkurrenz­verfahren. Inter­disziplinär besetzt ist auch hier das Gremium. Für Aussen­stehenden befremdlich ist fallweise die Personal­union von Beirat und Auftrag­nehmer. Das Planungs­büro des Vorsitzenden erarbeitet derzeit den kantonalen Richtplan. So kommt auch die Kommission nicht an üblichen Ver­flechtungen in der Bau­branche vorbei.

Wider die Brache

Glarus Süd hingegen sieht sich mit Umbau und Rückbau konfrontiert. Die Industriebrachen harren neuer Aufgaben, die Dörfer kämpfen gegen die Abwanderung. Die Gestaltungs­kommission, erst seit knapp einem Jahr im Amt, begleitet den Strukturwandel. Konfliktstoff bietet manchmal die Projekt­begutachtung durch die Denkmalpflege. Teils widersprüchliche Aussagen verunsichern die Architekten und hinterlassen da und dort Unmut.

Insgesamt setzen die drei Gremien dennoch vieles in Gang. Neben dem Architektur­forum Glarus regen sie die Diskussion anhand konkreter Bau­vorhaben an und bereiten den Boden für Entscheidungen. Die Profes­sionali­sierung der Qualitäts­sicherung wird langfristig Früchte tragen und das bau­kulturelle Niveau des Kantons wieder an vergangene Zeiten heranführen.

Verhandlungsinstrument

In Liechtenstein besteht die Gestaltungs­kommission schon seit 1993. Wie überall ist sie nicht rechts­verbindlich, hat jedoch durch die direkte Anbindung an das Amt für Bau und Infrastruktur einen unmittel­baren Einfluss. Einen Wende­punkt stellte 2013 die Verwaltungsreform dar. Seither genehmigt der Fachbereich Ortsplanung im Amt für Bau und Infrastruktur unter der Leitung von Denise Ospelt nach Prüfung durch die jeweilige Gemeinde sämtliche Gestaltungs- und Überbauungs­pläne. Ospelt liess Ende 2012 ihre Büro­tätigkeit hinter sich und wechselte auf die administrative Seite des Landesamtes. Als langjähriges Mitglied der Gestaltungs­kommission übernahm sie bei Stellen­antritt dessen Vorsitz. Neben Projekten in historischen Kerngebieten sind es hier vor allem grosse Eingriffe ausserhalb der Regelbau­weise, die es zu beurteilen gilt. Auch was Freiraum­gestaltung, Erschliessung und Durch­wegung angeht, wird der über­geordneten Wirkung Rechnung getragen. In vielen Bauzonen ist ein Überbauungs­plan Pflicht – und das hilft beiden Seiten: Mit einer guten Planung lässt sich die Ausnutzungs­ziffer nach oben schrauben, im Gegenzug wird ein Mehrwert an städte­baulicher und architek­tonischer Qualität geboten.

Angemessene Antwort

Ein Vorzeigebeispiel ist die Wohnüberbauung «Papillon» in Mauren. Das Ensemble aus drei geschickt in den Hang plazierten Baukörpern ist das Ergebnis eines Studienauftrags an sechs Büros. Die Familien­stiftung lobte den Wettbewerb aus, Gohm Hiessberger Architekten konnten mit ihrer räumlich vielschichtigen und städtebaulich angemes­senen Antwort überzeugen. Gute Ausnutzungsziffer gegen gute Architektur – in diesem Sinne hatte die Kommission Freude mit dem Überbauungsplan. Das sei nicht immer der Fall, sagt Denise Ospelt: «Eine Gestaltungs­kommission kann ein Projekt bis zu einem gewissen Grad optimieren, aber nicht bis ins Detail. Der letzte Schliff kommt vom Architekten.» Und wie in jeder Berufssparte gibt es auch hier solche und andere.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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