Architektur Forum Ostschweiz

Über Zeit und Veränderung

Vor 20 Jahren wurde der Park am Churer Linden­quai ange­legt. Zum Jubiläum reflektieren Land­schafts­architekt Lieni Wegelin und sein Kollege Alex Jost, der dazumal das Garten­bau­amt leitete, die Geschichte des Grün­raumes.

Beitrag vom 29. August 2024

Text: Theresa Mörtl

  • Bild zum Beitrag Die Parkanlage zwischen Plessur und Rosenhügel wurde von Lieni Wegelin gestaltet.
  • Bild zum Beitrag Der Park wurde anstelle eines Parkplatzes angelegt, um den Menschen einen neuen Treffpunkt mit hoher Aufenthaltsqualität zu verschaffen.
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  • Bild zum Beitrag Der Park verändert sich im Laufe des Jahres wesentlich: Die Pflanzen sorgen für verschiedene Farbwelten und die Menschen nutzen die Anlage je nach Witterung unterschiedlich.
  • Bild zum Beitrag Die Idee zum Park reifte seit 1980, als der Churer Nutzungsplan neue Grünzonen in der Stadt auswies. Zunächst stiess das Projekt bei den Menschen auf wenig Interesse.
  • Bild zum Beitrag Wasser prägt den Grünraum: Im Sommer erfrischt es, im Herbst spiegelt es das leuchtende Orange der Felsenbirnen und im Winter wird es zu glitzerndem Eis.
  • Bild zum Beitrag Gerade im Sommer ist der Kunststeinbrunnen in Form eines Lindenblattes ein zentraler Ort im Park.
  • Bild zum Beitrag Städtebaulich gesehen ist der Park auch eine wichtige Passage für Fussgänger.
  • Bild zum Beitrag Das Wasser hat inzwischen eine Patina auf den Oberflächen im Park hinterlassen – das ist ganz in Lieni Wegelins Sinne.
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Es ist ein Ort für alle und alles: Zwischen Plessur und Rosen­hügel schafft der Park am Linden­quai in Chur einen öffent­lichen Frei­raum. Seiner Nutzung sind keine Grenzen gesetzt. Vor genau 20 Jahren hat der Malanser Land­schafts­architekt Lieni Wegelin die kleine Fläche wieder­belebt, den Fokus auf das Element Wasser gelegt und zugleich den Faktor Zeit als Gestaltungs­element genutzt. Sie hinter­lässt sowohl in der Ent­wicklung der Flora als auch im Material sowie auf politischer Ebene und in der Nutzung des Parks wesentliche – meist will­kürliche – Abdrücke.

Herr Wegelin, Herr Jost, wie kam das Projekt zustande?

Lieni Wegelin: Fast zeitgleich war ich bau­leitend mit der Neu­gestaltung des Churer Fontana­parks befasst, der mir im Direkt­auftrag ebenso die Verant­wortung für die Frei­fläche am Linden­quai bescherte. Dort, wo sich für lange Zeit ein Park­platz befunden hatte, sollte nach dem Bau des an­grenzenden Park­hauses ein neuer öffent­licher Ort entstehen: ein lebendiger Treff­punkt, ein Ort des Ver­weilens und ein urbaner Grün­raum für die Öffentlich­keit, der nicht zuletzt die versiegelten Flächen ersetzt.

Umnutzung und Trans­formation sind zentrale Themen der Stadt­entwicklung. Gilt das auch für die Grün­anlagen beziehungs­weise die Gestaltung der Frei- und Aussen­räume?

Alex Jost: Das Umdenken hinsichtlich der Grün­flächen und deren Notwendig­keit im urbanen Raum begann schon zu Anfang meiner Tätigkeit beim Garten­bauamt. Wie bei so vielen (städte)­baulichen Mass­nahmen muss man politische, rechtliche und soziale Hürden Schritt für Schritt meistern, sodass keine Ver­änderung von heute auf morgen möglich ist. Wir planten darum langfristig. Beim Linden­quai begannen die Über­legungen zur Umzonung bereits 1980, als der Churer Nutzungs­plan neue Grün­zonen festlegte. Eine paradoxe Tat­sache stellte zu Beginn das geringe Interesse oder vielleicht die Gleich­gültigkeit der Bevölkerung gegenüber städt­ischen Frei­räumen dar: Denn trotz der Natur­verbunden­heit der Ein­wohner waren mehr Grün­flächen in der Stadt bis anhin politisch eher wenig gewünscht, da sich in Stadtnähe zu Genüge Erholungs­gebiete befinden.

Spiegeln sich diese Transformations­prozesse auch in der Gestaltung des Linden­parks?

Lieni Wegelin: Abgesehen von der neuen Nutzung ist der Trans­formations­aspekt auch in der Gestaltung zu finden: Das Farb­spektrum reicht vom leuchtenden Orange der Felsen­birnen im Herbst bis hin zum zarten Blau­ton der robusten, wuchs­starken Glyzinien im Frühjahr, die im restlichen Jahr mit ihrem satten Grün dem Park ein mediterranes Flair verleihen.

Darüber hinaus zeichnen sich die Jahres- und Tages­zeiten im Wasser ab: Während der warmen Monate sorgt es für Erfrischung und schafft mit seinem dezenten Plätschern ein besinnliches Ambiente. In den Winter­monaten wird die hang­seitige Wasser­wand hingegen zum eisigen Vorhang, der mit besonderen Reflexionen verzaubert. Zugleich hinterlässt die Zeit ihre Spuren, die zwar fein­fühlig, aber dennoch kontinuierlich die Ober­flächen prägen. Doch nicht nur die Vege­tation ändert sich im Laufe des Jahres und wirkt sich auf die Erscheinung aus, zugleich wandelt sich der Charakter der Anlage durch die jeweilige Nutzung.

Neben dem Element Wasser wird die Linde beziehungs­weise das Lindenblatt zum Charakter­istikum.

Lieni Wegelin: Dieses Symbol ist auf die Lage am Lindenquai zurückzuführen, der gemeinsam mit der Arosa­bahn die Plessur einspannt. Obwohl es entgegen allen Erwartungen keine Linden gibt, steht dennoch das Linden­blatt wortwörtlich im Zentrum. Ausformuliert als einteilige Skulptur wurde es zum Brunnen: Das Einzel­objekt in Form eines Lindenblattes samt Blatt­adern entstand in Zusammen­arbeit mit einem örtlichen Unternehmen aus Kunst­stein. Der Brunnen wird mit Frisch­wasser vom oberhalb liegenden städtischen Brunnen gespeist und ist ein Spielobjekt in vielerlei Hinsicht. Hier werden nicht nur Trinkf­laschen, sondern auch Wasser­pistolen gefüllt, im Sommer nutzen ihn die Kleinsten zum Baden, und der Wasser­spiegel der Wasser­wand garantiert ganzjährig ein Spiel mit Reflexionen.

In Ihrem Entwurf liegt die Besonderheit also stets im kleinen Detail?

Lieni Wegelin: Weniger ist oft mehr. Beim Linden­quai ging es mir darum, mit kleinen Eingriffen möglichst effektiv das Wesentliche in den Vorder­grund zu rücken: Eine simple Material­wahl, wenige Interventionen und eine einfache Bepflanzung sollten sowohl eine breite Nutzungsvielfalt erlauben als auch die Unterhalts­arbeiten geringhalten. Eine sanfte Terrassierung sowie eine ergänzende Mauer lösen das leichte Gefälle der Fläche auf und schaffen eine Drei­teilung der Anlage. Felsenbirnen rhythmisieren die gekiesten Abschnitte, die sehr beliebt bei Boule-Spielern sind. Weitere Grün­körper strukturieren den strassen­seitigen Zugang, seitlich arrangierte Tische laden zum Verweilen ein, und die hangseitige, roh­belassene Wasser­kaskade bildet den räumlichen Abschluss.

Hat der Park auch eine städtebauliche Bedeutung für Chur?

Alex Jost: Als vermeintlicher Lücken­füller mit nennens­werten Aufenthalts­qualitäten spielt er zugleich in der Erschliessung als auch als öffentliche Fussweg­verbindung eine Rolle ein. Durch die Lage zwischen Altstadt und Rosenhügel dient er als Bindeglied, erschliesst zugleich die angrenzenden Wohn­siedlungen und begrüsst die ankommenden Tages­gäste am Linden­quai. Ökologisch betrachtet schafft der neue Brunnen auch einen besseren Wasser­zyklus, da das Fliess­wasser nicht wie zuvor in den Kanal geleitet wird, sondern nun in die Plessur zurückfliesst.

Nun feiert der Park sein 20-Jahre-Jubiläum. Wie nehmen Sie ihn im Wandel der Zeit wahr?

Lieni Wegelin: Etwas zwiegespalten. – Einerseits ist es zauber­haft zu sehen, wie das Wasser eine Patina auf den Ober­flächen hinterlässt und wie vielseitig die Leute den Platz nutzen. Insbesondere im Winter komme ich gerne dorthin, um mich von der Magie der Eis­wand verzaubern zu lassen. Andererseits finde ich es schade, wie selbst­verständlich mit dem Park um­gegangen wird und wie er in der Folge zu wenig Auf­merksam­keit im Unter­halt erhält. Denn während mittlerweile der Wunsch nach grünen Oasen in der Bevölkerung steigt, sinkt zugleich die Wert­schätzung für diese Gemeinschafts­flächen; es wird weniger behutsam mit ihnen umgegangen.

Bildnachweis

Ladina Bischof

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