Architektur Forum Ostschweiz

Subtiler Dialog zwischen alt und neu

Der 400-jährige Torkel Romenschwanden ist der letzte Zeitzeuge in St. Margrethen, der an den Weinbau im Mittelalter erinnert.

Beitrag vom 3. Oktober 2020

Text: Susanna Koeberle

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Dionysos, der Gott des Weines, wäre bestimmt hocherfreut über dieses Projekt. Schliesslich gehören zum Genuss dieses Getränks unbedingt auch Feste. Alleine im Kämmerchen alkoholischen Genüssen zu frönen – das haben wir in diesem Jahr gesehen – ist einfach nicht dasselbe. Dass ein Torkel in Romenschwanden bei St. Margrethen zu seinen Ursprüngen zurückfand, war nicht nur in architektonischer Hinsicht eine gute Entscheidung. Auch für das soziale Zusammenleben schaffen Renovation und Umnutzung des Baus einen Mehrwert. Eigentümerin und Auftraggeberin war die Ortsgemeinde St. Margrethen, welche für die Restaurierung des 400-jährigen Torkels den Architekten Lukas Brassel beauftragte. Lange als Abstellraum für Maschinen und Brennholz genutzt, ermöglicht der Umbau des historischen Bauwerks nicht nur eine neue öffentliche Nutzung als Veranstaltungssaal, er bewahrt zugleich einen wichtigen Zeitzeugen der Geschichte dieser Gegend.

Der Torkel gehörte zu dem 1602 erbauten Gutshaus der Zollikofer von Altenklingen, einer lokalen Adelsfamilie, die auch Wein anbaute. Im Mittelalter war die Region ein wichtiges Weinbaugebiet, von dort aus wurde der Rebensaft bis nach Deutschland exportiert. Die Reblausplage um die Jahrhundertwende setzte dieser Tradition ein Ende, in Romenschwanden wurden erst wieder in den 1980er-Jahren Rebstöcke gepflanzt. Das zweigeschossige Ökonomiegebäude wurde vermutlich aus Steinen der Ruine Grimmenstein erbaut, darauf deuten einige rötliche Sandsteine hin. Diese Verfärbung tritt durch starke Erhitzung auf. Sie ist ein Indiz, das sich mit dem Niederbrennen der Burg im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen im 12. Jahrhundert in Verbindung bringen lässt.

Weiterbauen in historisch wertvollem Kontext

Die besondere Bauweise des Mauerwerks prägt das Aussehen des schlichten Bauwerks, daran wollte der Architekt Lukas Brassel möglichst wenig ändern. Vielmehr ging es ihm um den Erhalt der historischen Bausubstanz, die zugleich durch die dezenten Eingriffe durchaus einen zeitgenössischen Ausdruck bekommen hat. An der Südwestfassade stabilisiert etwa ein neu eingebauter Stahlbetonrahmen das labile Bruchsteinmauerwerk. Vier grosse Doppelfenster machen die Raumhöhe des Saals auch von aussen lesbar und betonen die Nutzung als öffentlicher Raum. Der Veranstaltungsraum bietet Platz für Anlässe mit 40 bis 60 Personen. Im Innern erleichtert ein pflegeleichter Boden aus versiegeltem Monobeton eine unkomplizierte Handhabung der Räumlichkeiten; auch sonst arbeitete der Architekt mit einfachen Materialien, die etwas Unaufgeregtes ausstrahlen. Die Menschen im Raum sowie die alten Bauteile sollen die Hauptrolle spielen.

Am unverputzten Mauerwerk erkennt man eine damals verwendete Bauweise, das sogenannte «Zwickeln». Statt mit teurem Mörtel wurden die Räume zwischen den grösseren Steinen mit kleineren Gesteinssplittern aufgefüllt. Die unterschiedlich grossen Steine bilden ein interessantes Gefüge, das auch heute noch funktioniert. Der Architekt konnte die alte Balkenlage der Decke erhalten; diese wurde mit neuen Deckendielen versehen. Brassel beliess zudem die historische Mittelstütze, was den Raum quasi symbolisch in der Vergangenheit verankert.

Fruchtbare Zusammenarbeit

Das Beleuchtungskonzept entstand in Zusammenarbeit mit Gallus Zwicker aus St. Gallen, die zwölf Tische sind ein Gemeinschaftsentwurf von Lukas Brassel und dem Produktdesigner und Schreiner Markus Hangartner. Gerade bei älteren Bauten ist das Fachwissen von Spezialisten besonders gefragt. Die Kollaboration mit Jürg Conzett war in dieser Hinsicht hilfreich. So entschied Lukas Brassel aufgrund der Expertise des bekannten Bauingenieurs, die WC-Anlagen nach unten zu verlegen, sodass der obere Hauptraum frei bleiben konnte.

Angrenzend an den vorhandenen Gewölbekeller, dessen Rundbogentor ebenfalls behutsam restauriert wurde, befinden sich nun die Toiletten und ein Technikraum. Nach unten führt eine Treppe, deren filigranes Metallgeländer sich klar absetzt von der alten Bausubstanz. Eine feine Fuge im Beton markiert den räumlichen Eingriff. Die Materialisierung der unteren Räumlichkeiten ist einfach und doch wertig. Die Wände aus braun-schwarz filmbeschichteten Sperrholzplatten muten fast etwas asiatisch an.

Die Balance zwischen Bewahren und Erneuern ist hier vorbildhaft gelungen. Die neue Identität des Torkels basiert auf diesem subtilen Dialog zwischen alt und neu. Prägend für den modernen Charakter ist die vordere Fensterfront. Wenn die hölzernen Klappläden geschlossen sind, erkennt man die bauliche Massnahme kaum. Sind diese offen, wird die feingliedrige Kolonnade sichtbar. Sie dient der Befestigung der hohen Fenster und Läden, zugleich verleiht diese architektonische Geste dem Bauwerk Grosszügigkeit und Selbstbewusstheit. Es waren denn auch diese Fenster, welche bei den Bauarbeiten finanziell ins Gewicht fielen, sodass diesbezüglich etwas Überzeugungsarbeit des Architekten notwendig war. Dass Brassel selber in der Gemeinde aufgewachsen ist, hat die Kommunikation sicher erleichtert. Die Vertrautheit mit dem Kontext ist auf verschiedenen Ebenen eine gute Voraussetzung für eine solche Aufgabe. Auch das Catering für Veranstaltungen besteht aus lokalen Produkten, das schafft eine zusätzliche Wertschöpfung für den Ort. Der Begriff «Torkel» stammt aus dem lateinischen Wort «torculum» für Presse. Diese steht zwar physisch nicht mehr im Raum, aber die Steine sind stille Träger von Geschichte: Der Bau erzählt diese weiter. Den Rest übernimmt der Geist des Dionysos.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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