Architektur Forum Ostschweiz

Parkparadies in der Agglo

Der Grünfelspark in Rappers­wil-Jona ist sozialer und öko­lo­gischer Frei­raum in einem. Dass er zum urbanen Nah­erholungs­gebiet wurde, ist nicht selbst­ver­ständlich und unter anderem einer Kultur­förderin zu ver­danken.

Beitrag vom 27. August 2025

Text: Corinne Riedener

  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag
  • Bild zum Beitrag

Mittwochnachmittag in den Sommer­ferien. Endlich wieder Sonne nach einem legendär ver­schifften Juli. Alle sind draussen. Unter den gelben Sonnen­schirmen pick­nicken ein paar Eltern und be­obachten die Kinder am Wasser­spiel. Ein Mädchen lernt Velo­fahren. Sie erschrickt, als eine Meute Jungs auf Kickboards und Moun­tain­bikes an ihr vorbei­saust auf dem Weg Richtung Pump­track, einer der Haupt­attrak­tionen des Grün­fels­parks. Auf der Wiese schmust ein ver­liebtes Paar. Weiter oben bei der Villa wird eine Sport­zigarette geraucht. Und während gefühlt alle ihre Frei­zeit geniessen, mäht ein einsamer Garten­bauer die hohe Wild­wiese auf der Nord­hälfte des Parks.

Der Grünfelspark befindet sich im be­lebten Gebiet zwischen dem Bahn­hof Jona, der Villa Grün­fels und der St. Galler­strasse. Ein öffent­licher Grün­raum mitten im Zentrum mit Spiel-, Ruhe- und Be­gegnungs­räumen – für Natur und Mensch gleicher­massen. Der Park ist ein lebendiges Bei­spiel dafür, dass urbane Nah­erho­lungs­räume auch ge­mein­schaftlich ge­nutzt und ge­staltet werden können. Was nicht selbst­verständ­lich ist: Oft genug sind grosse Grün­flächen in Privat­besitz und auf­grund von gewissen Verhaltens­regeln auch nicht gerade alltags­taug­lich für Familien, Schul­klassen, Sportler­innen, Kultur­schaffende oder Jugend­liche. Es tötelet.

So hätte es vielleicht auch in Rapperswil-Jona enden können, hätte die Schau­spielerin Lotte Stiefel nicht vorge­sorgt. Sie war die Adoptiv­tochter der Kaufmanns­familie Stiefel und letzte Besitzerin der Villa Grün­fels. Vor ihrem Tod 1986 ver­machte sie das gesamte Grün­fels-Areal der da­maligen Ge­meinde Jona. Ihre Schenkung ver­knüpfte sie mit der Auf­lage, dass die ehe­malige Fabrikanten­villa kulturell ge­nutzt und das Um­land öffent­lich zu­gänglich ge­macht und unbe­baut bleiben müsse. Ohne dieses Ver­mächtnis sähe die Welt hier heute an­ders aus. Die Villa wurde zum Kultur­hotspot. 2021 wurde das LOTTIs ins Leben gerufen, ein nach ihr be­nanntes Festival rund um die Villa. Und aus der ehe­maligen Obst­wiese ist ein sozial durch­mischter und öko­logisch durch­dachter Park ge­worden. Im Rahmen seiner Eröff­nung im Sommer 2024 wurde auch der Lotte-Stiefel-Platz mit dem Wasser­spiel ein­geweiht.

Funktionales und räumliches Bindeglied

Dem vorangegangen ist ein Landschafts­architektur­wettbewerb, 2016 aus­geschrieben von der Stadt Rappers­wil-Jona und dem Bund Schweizer Land­schafts­architekt:in­nen (BSLA). Durch­gesetzt hat sich das Zürcher Büro Linea land­scape archi­tecture von Lisa Troiano und Kobe Macco. «Uns reizte die Auf­gabe, weil der Frei­raum zwischen Rappers­wil und Jona das Potenzial hatte, beide Stadt­teile zu ver­binden und in der Agglo­mera­tion eine neue Typo­logie zu schaffen: eine klein­städtische Park­anlage», erklärt Kobe Macco. «In diesem Gebiet fehl­ten solche Qualitäten bisher.»

Damit spricht er einen Mangel an, der oft un­bemerkt bleibt. Agglo­merations­räume wie Rappers­wil-Jona wachsen rasant. Mit jeder neuen Über­bauung steigt der Be­darf an Frei­räumen für Er­holung, Begeg­nung und Natur­nähe. Parks wie der Grünfels­park erfüllen daher – nebst der räum­lichen Ver­bindung – gleich mehrere Funk­tionen: Sie sind sozialer Treff­punkt, öko­logischer Lebens­raum, urbaner Frei­raum und gesund­heits­fördernder Bewegungs­ort.

Der Grünfels­park ist auf­geteilt in drei Zonen: Am Bahn­damm und am Süd­hang findet sich eine natur­nahe Vegetations­zone mit Sträuchern, Mager- und Wild­wiesen. Im Westen bildet der Baum­hain mit Stadt­klima­bäumen wie Winter­linde, Spitz­ahorn oder Kirsche einen dich­ten, schattigen Saum. Dort befinden sich der Lotte-Stiefel-Platz, ein Pavillon mit WC, ein grosser Spiel­platz und ein Skills Park für Sport­liche, der zusam­men mit der Stiftung Hopp-la konzi­piert wurde.

Die zentrale Grünfels­wiese mit Pump­track dient als offene Spiel- und Liege­fläche. Hier, wo einst die Obst­wiese war, kann man auch heute noch ernten. In Zusammen­arbeit mit Pro Spe-cie Rara wurden neue Äpfel-, Birnen- und Kirsch­bäume sowie Beeren­sträucher ge­pflanzt. «Der Obst­baum­bestand war für uns ein zentrales Thema», sagt Macco. «Die Früchte dienen als Nahrungs­quelle für Vögel und Insekten, können aber auch von der Be­völkerung ge­erntet werden.» Das fördere die Gemein­schaft, das bürger­liche Engage­ment und nach­haltige Lebens­weisen. Und es ermögliche auch Bildungs­projekte, bei denen Schulen und Gruppen ler­nen, wie Nahrungs­mittel wachsen und warum Nach­haltig­keit wichtig ist.

Die Mischung machts

Geplant wurde der Park partizi­pativ. Mithilfe von Frage­bogen, einem «Wunsch­baum» und Social-Media-Um­fragen wurde die Be­völkerung ein­geladen, ihre Bedürf­nisse einzu­bringen. Die häufigsten Wünsche – Spiel, Bewegung und Ruhe – wurden in der Ge­staltung berück­sichtigt. So entstand ein Park, der nicht nur für, sondern mit der Be­völkerung ent­wickelt wurde.

«Wir haben viele wertvolle Ideen be­kommen», erinnert sich Macco. «Es war schön, im Par­tizipations­prozess direkt mit den Leuten zusammen­zuarbeiten und mehr über ihre Wünsche, Probleme und Hinter­gründe zu lernen.» Ent­sprechend positiv sind die Rück­meldungen: «Die Leute schätzen die viel­fältigen Nutzungs­möglich­keiten für unter­schiedliche Gruppen und dass das Park­gelände den­noch nicht über­laden wirkt und einen hohen grünen sowie ökologi­schen Wert hat.»

Der Einbezug der Be­völkerung lohnt sich also auch ab­seits der grösseren Städte. Der Grünfels­park zeigt ein­drücklich, dass Nah­erholungs­räume in der Agglo­mera­tion mehr sind als dekoratives Klein­stadt­zubehör. Die partizipative Planung, die kultu­relle Dimen­sion dank Lotte Stiefels Auf­lagen und die gelungene Um­setzung durch Linea machen den Grünfels­park zum Vor­bild für Projekte in anderen auf­strebenden Agglo-Ge­meinden. Gerade weil er aus einer Mischung von Perspek­tiven ent­stand – aus Erbe, Gemein­schaft und städte­baulicher Ver­antwortung.

Bildnachweis

Elisa Florian

Architektur Forum Ostschweiz Davidstrasse 40 9000 St.Gallen Maps ↗
076 345 16 93
Newsletter

Veranstaltungskalender-Abo

URL kopieren
Mitgliedschaft →