Kleinode im Zwischenraum
Restflächen in Städten zwischen Architektur, Verkehr und Landschaftsplanung gelten als unspektakulär. Sie können zu Juwelen werden.
Beitrag vom 2. November 2019
Text: Franziska Quandt
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In unserem Alltag bewegen wir uns durch die Stadt, ohne uns Gedanken über die vielteilige Planung des uns umgebenden Raums zu machen. Die vielen Disziplinen, die unsere Umgebung prägen wie Städtebau, Architektur, Verkehrsplanung und Landschaftsarchitektur nehmen wir als selbstverständlich hin. Oft bleiben zwischen diesen Stadtplanungselementen Teilflächen übrig, die nur wenige Quadratmeter messen. Solche Restflächen liegen neben unserem Hauseingang, in Hinterhöfen oder an verkehrsreichen Strassen. Diese Flächen, und vor allem der Umgang mit ihnen, sind entscheidend dafür, ob eine Stadt als optisch ansprechend wahrgenommen wird.
Um den richtigen Umgang mit Restflächen bemüht sich die Stadt Rapperswil-Jona. Sie hat die qualitätvolle Entwicklung von kleinen Freiflächen in die städtebauliche Gesamtstrategie aufgenommen. Mit Blick auf die wachsende Bevölkerung der Stadt und die Frage, ob im Stadtgebiet ein genügend abwechslungsreiches Angebot an Freiräumen zur Verfügung steht, hat Rapperswil-Jona das Landschaftsarchitekturbüro Hager Partner aus Zürich mit einer Studie beauftragt. Im «Grün- und Freiraumkonzept Rapperswil-Jona» wird der Bestand analysiert und werden Defizite und Potenziale definiert. Mit der Studie als Leitfaden konnte die Stadt Rapperswil-Jona eine konkrete Strategie entwickeln, um Aufenthaltsräume zu schaffen und diese gestalterisch und funktional aufzuwerten. Die Klein- und Restflächen der Stadt sind auch Teil dieses Konzepts.
Teppichmuster fasst grauen Falkenplatz optisch
Viele Orte sind in der Auseinandersetzung von Hager Partner mit den Freiräumen der Stadt Rapperswil-Jona konkret herausgearbeitet worden. Andere wiederum haben sich zum Beispiel durch die Implementierung des Grün- und Freiraumkonzepts in den Masterplan Siedlung und Landschaft der Stadt ergeben. So zum Beispiel der Platz am Einkaufszentrum AlbuVille, der durch einen Impuls der Eigentümerschaft im Zuge der Überarbeitung der Strassengestaltung der St. Galler-Strasse/Neue Jonastrasse entstanden ist. Die Entwicklung der Neuen Jonastrasse zu einer attraktiven Zentrumsachse zwischen Jona und Rapperswil war eines der Ziele des Masterplans.
Der Platz, der offiziell Falkenplatz heisst, wird auf beiden Seiten von je einem Gebäude flankiert, gemeinsam bilden sie das Einkaufszentrum. Das hintere Ende des Platzes wird von einer Passage abgeschlossen, die die beiden Bauten miteinander verbindet. Mit der Gestaltung des Falkenplatzes wurden die Landschaftsarchitekten von Atelier tp aus Rapperswil-Jona beauftragt. Sie fassten den Platz optisch, indem sie auf dem Boden einen «Teppich» ausbreiteten. Das gleichmässige Muster aus weissen, blauen und gelben Sternen definiert den Raum horizontal. Um den Platz in der Vertikalen einzugrenzen, haben die Landschaftsarchitekten jeweils an den Säulen der angrenzenden Gebäude Pflanztröge mit Rankpflanzen platziert. Mit diesen wenigen Eingriffen konnte Atelier tp den Platz von einer undefinierten grauen Fläche zu einem gefassten Raum innerhalb der Stadtstruktur umformen.
Auch private Räume stellen innerhalb des Freiraumkonzepts mögliche Interventionsflächen dar. So ist der neue Pocketpark am Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) Rapperswil-Jona ein gutes Beispiel, um Stadtzonen mit verschiedenen Atmosphären miteinander zu verbinden. Er bildet den Übergang zwischen einer Hauptverkehrsachse, der Zürcherstrasse und der Seepromenade. Auch für den Pocketpark BWZ zeichnete das Atelier tp verantwortlich. Er setzt sich aus mehreren Bereichen zusammen: ein befestigter Pausenplatz mit Parkplätzen, ein eigentlicher Parkteil und eine Velostellfläche, die der Turnhalle zugeordnet ist. Der Pausenplatz ist eine asphaltierte fast quadratische Fläche, die einen temporären Schulbau umgibt, der an den Altbau des BWZ anschliesst. Diese Zone wird nach Westen mit von Stahlbändern eingefassten Stauden- und Gräserbeeten abgeschlossen.
«Himmelssöhne» bieten Sichtschutz
Die Grünzone ist wiederum in zwei Bereiche unterteilt: Zum einen die südliche Zone entlang der Haldenstrasse, die mit Kies gedeckt ist, und auf der drei grosse Sitzsteine zum Verweilen einladen. Zudem die nördlich liegende Rasenfläche, die von einer grossen Kiefer dominiert wird. Weitere Bäume «Heptacodium miconioides» oder «Sieben-Söhne-des-Himmels» stehen auf beiden Flächen verteilt. Diese halbhohen, eher buschartigen Gehölze verleihen dem Platz eine gewisse Intimität durch den Sichtschutz, den sie gewähren.
Die behutsame Erweiterung der Freizeitangebote am Seeufer ist ein weiterer Aspekt in der Entwicklung der Stadt Rapperswil-Jona und auch Teil des Konzepts von Hager Partner. Die Stadt hat dafür zum Beispiel eine Fläche im Ortsteil Kempraten ausgewiesen. Bereits seit 1998 gab es hier erste Bestrebungen, am mehrheitlich privaten Seeufer einen Zugang für die Bevölkerung zu schaffen.
Der neu geschaffene Seezugang Gubel ist ein verstecktes Kleinod, das von Fischer Landschaftsarchitekten gestaltet wurde. Entlang der für Fussgänger und Radfahrer eher unattraktiven Zürcherstrasse liegt es hinter einem schweren schwarzen Metalltor. Durchschreitet man dieses, führt ein schmaler gezackter Weg hinab zu einem Kiesplatz mit Sitzgelegenheiten und zum Wasser, das hier mit einem dichten Schilfgürtel zugewachsen ist. Rechter Hand des Wegs und des Sitzplatzes fliesst ein schmaler Bach in einem renaturierten Flussbett in den Zürichsee. Inmitten der Villen kann man sich hier auf den See und die in der Ferne liegenden Berge besinnen.
Bildnachweis
Hanspeter Schiess