Architektur Forum Ostschweiz

Keine Fläche zu klein, ein Blumenmeer zu sein

Im Friedhof Ost, im Stadtpark, im Unteren Brühl und im St. Leonhardpark in St.Gallen sind derzeit die Blüten des Sommerflors zu sehen. Er ist Teil eines ausgeklügelten Konzepts, nach dem das Gartenbauamt den städtischen Raum ästhetisch und ökologisch aufwertet.

Beitrag vom 11. Juli 2015

Text: Rahel Hartmann Schweizer

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Kaum waren die weissen, gelben und dunkelvioletten Tulpen des Frühlingsflors verblüht, machten sich die Gärtner daran, die Zwiebeln auszugraben und die leer geräumten Beete mit dem Sommerflor zu bestücken. Für jede Anlage liegen genaue Schemata vor, um eine austarierte Komposition von Farben, Formen und Texturen zu gewährleisten.

Das Wolfsmilchgewächs mit den ausufernden gabelförmigen Verzweigungen, dem lanzettförmigen Laub und den zarten weissen Scheinblüten erzeugt im Wechsel mit dem rosafarben blühenden Ziesthybrid ein Bett, in dem die apricotfarbenen Schafgarben ein Mal mit ihren gelben bis orangen Schwestern gepaart sind, das andere Mal von den bis ins dunkelviolett spielenden Wilden Karotten flankiert werden. Der himmelblaue Salbeihybrid «African Sky» kokettiert als Lippenblütler ebenso mit dem Ziest wie mit dem Silberstrauch. Die silberfarbenen Blütenhalme des Chinaschilfs schliesslich werden bis im Oktober explodieren und so in den Herbst überleiten.

Grundmuster mit Variationen

Die Bepflanzung mit saisonalem Wechselflor ist eines von vier Grundmustern, auf denen das Pflanzkonzept der Stadt basiert. Die andern drei gliedern sich grob in Flächen, auf denen einjährige Blumeneinsaaten zum Einsatz kommen; Standorte, die mit der so genannten «Silbersommer »-Mischung bestückt – ein von der Fachhochschule Wädenswil entwickeltes Pflanzensystem – und Anlagen, die mit ausdauernden Misch­stauden bepflanzt werden. Leitgedanke in allen Fällen ist, die Biodiversität zu erhöhen und für die Schönheit der einheimischen Flora zu sensibilisieren.

Einjährige Ansaaten in der Wehr-, der Rosenberg- und der Kolumbanstrasse basieren zum einen auf der Pflanzmischung «Wehretaler Sommertraum», der aus niedrigen Sonnenblumen, Sonnenhut, Ringelblumen, rotem Lein, Schmuck- körbchen und anderem besteht, zum anderen auf der Bienenwiese, die mit Borretsch, Natternkopf, Drachenkopf, Buschwinden, Goldmohn, rotem und blauem Lein, Schleierkraut, Klatschmohn, Ringelblumen, Schmuck­körbchen, Kap­margariten und Sonnen­blumen eine reichhaltige Bienen­weide abgibt.

Der «Silbersommer», der als Verkehrsbegleitgrün zum Beispiel den Verkehrsteiler Heiligkreuz, die Kessel­halden­strasse, den Unteren Graben und die Teufener Strasse aufwertet, zeichnet sich dadurch aus, dass die Pflanzenmischung das ganze Jahr über eine attraktive Blütenpracht entwickelt – und das oft auf kleinstem Raum: Im Frühling etwa leuchten scharlachrote Wildtulpen und blaue Trauben-Hyazinthen, im Vorsommer blühen blauer Lein, grüngelbe Wolfsmilch und weisse Anemone.

Im Herbst kontrastieren etwa filigrane Gräser mit den rotbraunen Blütentellern der Fetthenne. Auch im Winter muss nicht auf optische Blickfänge, welche die teilweise markanten Samenstände bilden, verzichtet werden.

Mischstauden für Kontinuität

Mischstaudenpflanzungen haben die längste Lebensdauer und stehen für Kontinuität – nicht aber für Erstarrung. Die Pflanzen werden nach dem Kriterium der Standortgerechtigkeit ausgewählt – sonnig-trocken, halbschattig oder schattigfeucht, je nachdem, ob sie auf Freiflächen, im Gehölz oder einem Beet eingesetzt werden. Mischstaudenpflanzungen finden sich im Stadt- und im Kantonsschulpark, im Unteren Brühl, im Kirchhofergut und in den Friedhöfen Feldli, Ost und Bruggen. In Letzterem wurde die Pflanzung 2014 angelegt. Als Leitstauden fungieren das Grosse Salomonsiegel mit den charakteristischen weissen Glöckchen, die Herbstanemone mit ebenfalls weissen, aber sternförmigen Blüten und die zarten rispigen Blütenstände der Rasen-Schmiele.

Ihnen beigesellt sind unter anderem Weisse Waldaster, lilafarbene Acker-Glockenblume, Brauner Storchschnabel und Kleine Japan Silberkerze. Dazwischen eingestreut wurden die violette Gemeine Akelei und der Rostfarbige Fingerhut. Als Füllstauden schliesslich fungieren etwa die Gelapptblättrige Waldsteinie mit zarten gelben Blüten, das Frühlings-Nabelnüsschen mit ebenso zarten, aber blauen Blüten oder die Schnee­weisse Hainsimse. Die komplexesten Kompositionen sind diejenigen, in denen Pflanzen, die über Jahre den Charakter einer Grünfläche prägen, mit wechselndem saisonalem oder einjährigem Flor variiert werden.

Neben der Schützengasse steht dafür das Grabenpärkli beispielhaft. Mit dessen Umgestaltung erregte das Städtische Gartenbauamt 2011 Aufsehen. Die Neukonzeption zeigt, wie auch auf einer vergleichsweise bescheidenen Fläche – sie umfasst gerade einmal 150 Quadratmeter, ein Bruchteil des knapp 34000 Quadratmeter grossen Stadtparks – eine abwechslungsreiche, betörende Bepflanzung möglich ist.

Das Zürcher Landschaft­sarchitekturbüro von Guido Hager ersann zwei Pflanzen­bilder, das eine in den Farben dunkelblauviolett, maigrün und dunkelrotbraun, das andere in violett-purpur und weiss-silbergrün. Es komponierte sie aus Leit- und Gruppenstauden, Zwiebelpflanzen (Geophyten) sowie Bodendeckern im Wechsel mit Frühlings- und Sommerflor.

Als Leitstauden qualifizierte es im einen Fall Blütensalbei sowie zartes und Riesen-Federgras, im anderen unter anderem Atlas-Schwingel, Wermut, Kandelaber- Ehrenpreis und Flammenblume. Als Gruppenstauden definierte es Schwertlilien, Storchen­schnabel, Akelei, Sterndolde sowie Indianer- und Mexikonessel beziehungsweise Fettblatt und Herbstanemone. Dem Zierlauch als Zwiebelpflanze gesellte es für das erste Bild verschiedene Tulpensorten bei, dem zweiten Strahlen­anemone und Trompeten­narzisse.

Als Frühlingswechselflor fungierten im einen Fall Stiefmütterchen, die im anderen mit Weiss- Hornveilchen angereichert wurden. Der Sommerwechselfor schliesslich war mit Bronze-Fenchel und Buntschopf­salbei beziehungsweise mit Verbene bestückt.

Fremde werden zugelassen

Über die Jahre wird sich der Grabenpark verändern, wie alle andern Grünflächen auch. Wohl unterhält das Garten­bauamt die rund 700 Objekte nach detaillierten Pflegeplänen. Doch duldet es Arten­verschiebungen ebenso, wie das «Einschleppen» fremder Arten und greift nur ein, wenn sich ein Überhandnehmen be­ziehungs­weise ein Ungleich­gewicht abzeichnet, das der Vielfalt abträglich wäre.

Auch «Fremdes» kann nämlich zum Blickfang werden, wie es im Frühling im St.Leonhardpark je eine orange- und eine purpurfarbene Tulpe waren.

Bildnachweis

Hanspeter Schiess

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