Erfolgreiche Raumplanung im Dorf
Bottighofen ist es gelungen, die vorhandenen Qualitäten nicht nur für eine nachhaltige innere Verdichtung zu nutzen, sondern mit einem Masterplan auch langfristig zu stärken. Das Erfolgsrezept: ein enges Zusammenspiel von Bevölkerung, Politik und Planenden. Eine Abstimmung am 28. September wird entscheiden, ob in einem ersten Schritt die Vision für das Dorfzentrum Realität wird.
Beitrag vom 25. September 2025
Text: Rahel Lämmler
- ← Übersicht
- ← Karte
- → Vorwärts
- ← Rückwärts
-
Der Masterplan formuliert Visionen für die Entwicklung des Dorfes. Am Bodensee soll zwischen Hafen und Seebad eine zusammenhängende Parklandschaft für Wohnen, Arbeiten und Freizeit gestaltet werden.
-
Der Masterplan sieht eine neue Promenade am Bodensee vor, die den Hafen mit dem Seebad verbinden soll.
-
Die bestehende Uferpromenade ist idyllisch – immer wieder öffnen sich Blicke zum See.
-
Der viel befahrende Weg entlang der Bahngleise – in Zukunft werden Velowege und Fußgängerpfade gut aufeinander abgestimmt.
-
Der Masterplan umfasst Ziele zur Entwicklung von Landschaft und Biodiversität. Freiräume werden durch Massnahmen wie die Freilegung des Stichbachs und klimagerechte Pflanzungen nachhaltig gestärkt.
-
Landschaftsräumliche und ökologische Herausforderungen erfordern eine fortschrittliche Strategie. Gegen Osten soll der Übergang von den Quartieren zum Kulturland mit Grünstrukturen aufgewertet werden.
-
-
Eine Abstimmung wird bald entscheiden, ob die Vision der Stärkung und Aufwertung des Dorfzentrums zeitnah umgesetzt werden kann.
-
An der Hauptstrasse zeigt sich Bottighofen als Eingangstor zur Stadtregion Kreuzlingen-Konstanz. Stadthäuser sollen den Strassenraum besser fassen, Firmensitze finden einen repräsentativen Standort.
-
Blick vom Aussichtspunkt Klein Rigi: Weitläufige Naherholungsgebiete gehören ebenso zur Identität von Bottighofen wie die ruhigen Wohnquartiere.
Die thurgauische Gemeinde Bottighofen zählt heute rund 2700 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Lebensqualität ist augenfällig hoch: die Lage am Bodensee mit eigenem Hafen, die durchgrünten Wohnquartiere und weitläufigen Naherholungsgebiete, eine gut funktionierende Infrastruktur und nicht zuletzt die Nähe zu Kreuzlingen und Konstanz als attraktive urbane Zentren. Wenig überraschend also, dass die steuergünstige Gemeinde wächst: Wohnungen sind gefragt, die Anzahl Schülerinnen und Schüler nimmt zu, die Baulandreserven sind bald aufgebraucht, und der Druck auf die Innenentwicklung steigt. Wie können angesichts des bestehenden Wachstumsdrucks die Qualitäten und der Charakter der Gemeinde erhalten und gestärkt werden?
Ein Bürger von Bottighofen beobachtete die Entwicklung kritisch. Rico Lauper, im Dorf aufgewachsen und als Architekt und Mitglied der Geschäftsleitung im renommierten Büro Staufer & Hasler Architekten in Frauenfeld tätig, sah viel Potenzial für eine qualitätsvolle Entwicklung seiner Wohngemeinde und ergriff vor knapp vier Jahren die Initiative für die Erarbeitung einer raumplanerischen Vision. Der Gemeindepräsident Matthias Hofmann war damals noch nicht lange im Amt, man kannte sich noch nicht gut. Rico Lauper ging, unterstützt durch die Bürgervereinigung, auf Hofmann zu, dieser war von seinen Ideen sofort überzeugt.
Ein engagierter Architekt und ein neu gewählter Gemeindepräsident reichen für die Erarbeitung eines Masterplans jedoch noch nicht aus. Für eine mehrheitsfähige Entwicklung unterstützte ein Steuerungsgremium bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Ressorts Bau und Verkehr, Finanzen sowie Soziales, der Schulgemeinde und zweier Bürgervereinigungen den Prozess. Der Anschub war geleistet und der politische Wille vorhanden, die finanziellen Mittel waren gesichert, so fehlte nur noch ein geeignetes Planungsteam. Drei Büros wurden eingeladen, mit einer Präsentation ihre Sicht auf das Dorf und ihre Vorgehensweise zu schildern. Thomas K. Keller Architekten aus St. Gallen und der Landschaftsarchitekt Martin Klauser aus Rorschach erfassten die Identität der Gemeinde schnell und bekamen den Zuschlag.
Einen Masterplan für eine ganze Gemeinde zu entwickeln, ist keine alltägliche Aufgabe. Er soll für die ortsbauliche und freiräumliche Entwicklung visionäre Handlungsfelder formulieren. Damit einher geht die grosse Herausforderung, die richtige Flughöhe zwischen abstrakten und konkreten Zielbildern sowohl in der Formulierung als auch in der Plandarstellung zu finden. Ein genügend hoher Abstraktionsgrad ist wichtig für die spezifische Planung von Arealen und erlaubt, auf unvorhergesehene Veränderungen im Zeitverlauf zu reagieren.
Während lediglich 11 Monaten trafen sich das Planungsteam und die Begleitgruppe regelmässig – als Resultat liegt seit September 2022 ein Masterplan mit neun Visionen vor. Bewusst wurde auf zusätzliche Experten verzichtet. Das Planungsduo Keller/Klauser agierte generalistisch und deckte alle Themenbereiche der Raum- und Städteplanung ab. Dies ermöglichte einen direkten, unkomplizierten Austausch mit dem Gremium und kurze Wege. Weiter bildeten das dialogische Verfahren und die aktive Teilnahme der Bevölkerung von Beginn an einen entscheidenden Faktor für die Konsensbildung. An öffentlichen Dorfrundgängen konnten Bedürfnisse an konkreten Beispielen diskutiert werden, Interessierte brachten sich mit eigenen Ideen ein oder äusserten Bedenken. Der Masterplan findet heute eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung.
Im Wesentlichen beschreibt der Plan neun Visionen mit Handlungsfeldern, die auf einer sorgfältigen Analyse der gesellschaftlichen, baulichen, freiräumlichen und verkehrstechnischen Aspekte basieren. Beispielsweise liegen heute öffentliche Funktionen wie Schule, Kindergarten, Gemeindesaal und -verwaltung städtebaulich am richtigen Ort – die Vision «Dorfzentrum» sieht daher vor, den Ortskern baulich weiterzuentwickeln und die Schulstrasse als verkehrsbefreiten Begegnungsraum des neuen Schul- und Gemeindecampus aufzuwerten.
Als strategisches Raumentwicklungsinstrument ist der Masterplan behördenverbindlich, das heisst, alle Projekte müssen sich auf die im Masterplan beschriebenen Ziele beziehen. Die Bauverwaltung fordert Varianzverfahren zur Qualitätssicherung ein und ist verantwortlich für die Berücksichtigung des Masterplan im Bewilligungsverfahren. So wird die Umsetzung garantiert.
Durch die enge Zusammenarbeit von Bevölkerung, Politik und Planungsteam ist das Interesse an der Umsetzung der Visionen sehr groß. Die aktuell laufenden Projekte zeugen bereits vom Erfolg der planerischen Richtschnur. Für das in der Vision «Innenentwicklung» ausgewiesene Gebiet Mooswiesenstrasse liegt ein städtebaulich überzeugendes Siegerprojekt von Strut Architekten aus Winterthur vor – es basiert auf dem Masterplan.
Vor drei Jahren wurde der Masterplan publik. Alles lief bisher reibungslos. Raumplanung wie im Bilderbuch? Die gemeinschaftliche Herangehensweise, die hohe Beteiligung der Bevölkerung sowie die Sicherung der Umsetzung durch die Begleitgruppe kann tatsächlich als Erfolgsmodell bezeichnet werden, das auch auf andere Gemeinden übertragbar wäre.
Die eigentliche Bewährungsprobe für den Masterplan steht jedoch erst noch bevor: Am 28. September wird in Bottighofen über die Zukunft des Dorfzentrums abgestimmt. Es soll saniert werden, für den Dorfplatz ist eine Neugestaltung geplant, und ein neuer Kindergarten sowie ein Hort werden die Anlage vervollständigen – für 17.4 Millionen Franken; auch für die wohlhabende Gemeinde ist das ein hoher Betrag. Es liegt nun wieder an der (Stimm-)Bevölkerung, über die Entwicklung ihres Dorfes zu entscheiden.
Bildnachweis
Ladina Bischof