Eine Brücke als Bühne
Die zwischen in den Jahren 2009/10 instand gesetzte Brücke zwischen Vaduz und Sevelen ist nicht nur ein Zeuge innovativen Holzbrückenbaus im 19. Jahrhundert, sondern bietet bei der Überquerung mit einer subtil austarierten Lichtinstallation auch ein szenografisches Erlebnis.
Beitrag vom 24. Januar 2015
Text: Rahel Hartmann Schweizer
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Es ist ein bühnenreifes Schauspiel, das sich dem Spaziergänger bietet, der den Rhein nach dem Einnachten über die alte Holzbrücke zwischen Vaduz und Sevelen passiert: Wie auf einer Theaterbühne schält sich aus dem Dunkel am andern Ende der Passerelle eine schwarze Silhouette, ein Stirnlicht hebt und senkt sich. Im Lichtschein, der die Gestalt wie eine zweite Haut einhüllt, nähert sie sich bis ihr Widerschein mit demjenigen verschmilzt, der einen selber umgibt. Die Szenerie verdankt sich einer ausgeklügelten, interaktiven Lichtinstallation. Dieses trägt dem Sicherheitsbedürfnis Rechnung, ohne aufdringlich zu sein. Die Lichtinsel begleitet den Spaziergänger, die Velofahrerin, den Reiter und die Joggerin diskret, gleichsam wie ein «Schatten». Sobald jemand die Brücke betritt, wird der Innenraum der Brücke in das sanfte Licht einer Grundbeleuchtung getaucht; die erste Leuchte scheint heller auf. Bewegt sich die Person nun über die Brücke, wird der Sensor der zweiten Leuchte aktiviert und die Geschwindigkeit der Bewegung errechnet, sodass die Leuchten im Rhythmus der die Brücke passierenden Person nach und nach eingeschaltet werden. Begegnen sich Personen, verschmelzen die Lichtinseln miteinander. Zur innenräumlichen Lichtstimmung gesellt sich die ebenfalls mit LED-Leuchten erzielte Aussenwirkung. Diese sind in die Laibungen der Fenster auf der Südseite eingelassen und werfen ein Streiflicht auf die Lamellen, das die halb verschatteten Öffnungen von aussen, wie Lampions erscheinen lässt. Der Eingriff ist subtil und sensibel ist nicht nur das Beleuchtungskonzept, das den Passanten ein Erlebnis ohne aufdringliche Effekthascherei bietet und vormacht, wie grandiose Lichtstimmung erzeugt werden kann, ohne die Lichtverschmutzung anzuheizen. Auch die Instandsetzung der Brückenkonstruktion zeugt von Behutsamkeit.
Jahrzehntelang einzige Verbindung
Insgesamt 17 gedeckte Holzbrücken führten einst zwischen Reichenau und dem Bodensee über den Rhein. Die 136 Meter lange Verbindung zwischen Vaduz und Sevelen reihte sich als letzte in diese Perlenschnur. 1981 stellte sie die Regierung des Fürstentums Liechtenstein unter Denkmalschutz. Bis dahin hatte sie bereits eine wechselvolle Geschichte durchlebt. Ihre Entstehung 1870/71 verdankt sie der Eindämmung des Rheins. Bevor dessen Lauf gebändigt wurde, konnte er nur durch Furten passiert werden, oder man liess sich mit der Fähre übersetzen. Das 1875 um 1.50 Meter angehobene Bauwerk war um 1900 in so desolatem Zustand, dass es bis auf die Jochständer zurückgebaut und, wiederum um 1.50 Meter erhöht, neu erstellt werden musste – unter Wahrung der originalen Bauweise. Repariert wurde die Brücke 1930 und 1956, instandgesetzt 1988/1989. Zu diesem Zeitpunkt, nach der Einweihung der flussaufwärts errichteten Betonbrücke 1975, war die in die Jahre gekommene Vorgängerin nicht mehr die einzige unmittelbare Verbindung zwischen Vaduz und Sevelen, als die sie während über 70 Jahren gedient hatte. Notabene war sie so dimensioniert, dass Fahrzeuge nur in jeweils einer Richtung passieren konnten, da die Fahrbahn ursprünglich nicht mehr als 2.40 Meter breit war (1956 wurde sie auf 2.90 Meter erweitert). Die Nutzlast betrug um 1900 rund 3.5, ab 1930 sechs Tonnen.
Patente Konstruktion
Bis heute unverändert ist der Kern der Brücke: die Konstruktion. Diese basiert auf dem Einsatz von Howe’schen Trägern. Der als doppeltes Howe’sches Fachwerk ausgebildete Kastenträger erstreckt sich über sechs Felder und besteht aus Unter- und Obergurt, vertikalen Zugstangen aus Stahl und diagonalen Verstrebungen. Der Clou der Konstruktion ist die Kombination von diagonalen Druckgliedern aus Holz mit senkrechten Zuggliedern aus Metall, womit der US-amerikanische Ingenieur William Howe insofern ein innovatives Prinzip erfunden hatte, als er mit der 1840 patentierten Lösung den Übergang von Holzfachwerken zu Stahlfachwerken einläutete. Gemeinhin wird von einer rund 30jährigen Geschichte des Trägers gesprochen, d. h. im Jahr 1870, in dem der Übergang Vaduz-Sevelen gebaut wurde, neigte sich diese bereits ihrem Ende zu. Allerdings wurden auch danach noch etliche Brücken dieser Bauart erstellt – auch in der Schweiz.
Die Konstruktionsart ist es denn auch, die der Brücke ihren Schutzcharakter verleiht – wohingegen das Dach, die seitlichen «Schutzschirme» und die Fahrbahn schon zur Erstellungszeit als Verschleissteile gehandhabt wurden. Entsprechend wurden bei der jüngsten Instandsetzung nur punktuell Eingriffe in das noch gut erhaltene Fachwerk vorgenommen. Das Dach aber, dessen Eindeckung 1930 durch Eternit ersetzt worden war, wurde wieder mit Schindeln eingedeckt. Originalgetreu in Lärchenholz wurde auch der Witterungsschutz auf der Nord- und der Südseite ausgebildet. Nicht wieder hergestellt wurde hingegen das ursprüngliche Lichtband zwischen Holzverschalung und Dachvorsprung, das 1930 zur Verbesserung des Schutzes des Tragwerks geschlossen worden war.
Fundamente in Beton statt Holz
Der massivste Eingriff war an den Fundamenten vonnöten und zwar vor allem aus zwei Gründen. Zum einen wurde ihre Konstruktion im Laufe der Zeit verunklärt. So waren die 1870 erstellten fünf Pfeiler aus Eichenholz mehrmals erhöht worden. Und, weil die Eichenpfähle mittels derer die Brücke im Flussgrund verankert war, durch die Absenkung der Sohle zum Vorschein kamen und Gefahr liefen zu verfaulen, waren sie 1970 durch eine provisorische Stahlkonstruktion ersetzt worden. Zum andern beengen die fünf Abstützungen den Durchfluss, was zum Schutz vor Hochwasser für eine schlankere Ausbildung der Fundamente sprach. Erneuert wurden daher sowohl die Pfeiler, als auch die Sockel, die nun aus Beton bestehen. Wie einst, als dem Rhein ein festes Bett geschaffen wurde, musste der Fluss für diese Arbeiten umgeleitet werden, wenn auch nur partiell und temporär. Trotz dieses aufwendigen Prozederes gelang es, die auf knapp 3.5 Millionen Franken veranschlagten Kosten um rund 10 % zu unterschreiten.
Bildnachweis
Hanspeter Schiess