Architektur Forum Ostschweiz

Effiziente Planung in Holz

Das Burgweiher-Areal ist als Naherholungsgebiet bei der Stadtbevölkerung von St.Gallen beliebt. Seit 2021 wird in der nahegelegenen Siedlung Waldacker gewohnt – mitten im Grünen und mit Ausblick auf den historischen Tröckneturm.

Beitrag vom 26. November 2024

Text: Nele Rickmann

  • Bild zum Beitrag Die Holzhäuser der Siedlung Waldacker mit dem historischen Tröckneturm im Hintergrund.
  • Bild zum Beitrag Die Zeilenbauten der Siedlung Waldacker folgen den Höhenschichten und fassen einen grünen Hofraum für die Hausgemeinschaft.
  • Bild zum Beitrag Jedes der sechs Häuser verfügt über zwei Treppenaufgänge. So werden die Veranden, über die die Wohnungen erschlossen sind, nicht allzu stark frequentiert und funktionieren als fast private Aussenräume
  • Bild zum Beitrag Die Veranden ziehen sich nicht wie Laubengänge entlang der gesamten Fassade, sondern sind für mehr Privatheit in kleinere Einheiten unterteilt. Eingeschnittene Lichthöfe machen die Wohnungen heller.
  • Bild zum Beitrag Die Holzhäuser wurden aus im Werk vorgefertigten Decken-, Wand- und Fassadenelementen gebaut.

Erst seit 2020 für die Einwohner­innen und Ein­wohner von St. Gallen wieder zu­gänglich, bildet das Burg­weiher-Areal gegen­wärtig den grössten inner­städtischen Grün­raum der Stadt. Auf ihm be­findet sich der histo­rische Tröckne­turm von 1828, der als eines der Wahr­zeichen von St. Gallen an die lang zurück­reichende Textil­geschichte der Region erinnert. Geht man auf dem Gelände spazieren und folgt dem Weg an der Maria-Ein­siedeln-Kapelle vorbei, er­reicht man bald die zwei Wohn­zeilen der neuen Sied­lung Wald­acker. In mäandrie­render Form folgen die Zeilen­bauten den Höhen­linien, schmiegen sich der Hang­lage an und stehen mit ihren hölzernen Fas­saden in Dialog mit den wald­bedeckten Hügeln in der Ferne. Der Über­gang zum Park ist flies­send. Als grüner Binnen­raum zieht dieser sich zwischen den Häusern hindurch bis zur dahinter­liegenden Ahorn­strasse. Hier ange­langt, schweift der Blick noch­mals zurück zum Tröckne­turm, der am Ende der Achse nach oben ragt.

Zelebrierter Grünraum

Entworfen wurde die Siedlung vom Zürcher Archi­tektur­büro Oxid (ehemals Burk­halter Sumi). Der Fokus liegt auf dem grünen Binnen­raum, der als Herz­stück der Sied­lung eine ver­binden­de wie auch ver­teilende Funktion erfüllt. Spiel­plätze, Sitz­bänke und eine Grill­stelle laden nicht nur die Bewohn­enden, sondern auch Spazier­gänger­innen und Spazier­gänger ein, hier zu ver­weilen. Für die Bewohner ist er darüber hinaus zentraler Er­schlies­sungs­raum – auto­frei. Der Zu­gang zu den ein­zelnen Wohn­ungen erfolgt aus­schliesslich über offene Trep­pen­häuser und Veran­den. Ins­gesamt 110 Wohn­ein­heiten haben die Archi­tekten in sechs Häusern unter­gebracht, von denen je drei eine Zeile bilden. Jedes Haus wird durch zwei Treppen­auf­gänge er­schlossen. Das scheint auf den ersten Blick etwas über­ambitio­niert, denn der grüne Zwischen­raum wird so von zwölf Trep­pen­auf­gängen domi­niert. Doch die Ver­teilung durch zwei Trep­pen pro vier- und fünf­geschos­sige Haus­einheit führt zu einer Ent­lastung des Durch­gangs­verkehrs, so­dass die Veran­den, über die die Wohn­ungen er­schlos­sen werden, als (fast) private Aussen­räume funktio­nieren. Die Wohn­ein­heiten haben darüber hinaus an ihrer gegen­über­liegenden Seite einen gänz­lich privaten Winter­garten.

Beide Häuser­zeilen werden von je zwei Knicken ge­formt und ge­gliedert. Das bricht einerseits ihre streng lineare Form und gibt den Blick zum Tröckne­turm frei. Anderer­seits wird an den Knicken der Wechsel von einem Haus zum anderen und so­mit von einer Veranda­schicht zur nächsten markiert. Ent­gegen dem Ein­druck, die Veran­den würden sich als Fassaden­schicht wie Lauben­gänge über die ge­samten Gebäude­längen ziehen, sind diese zur Unter­stützung der Privat­heit an den Knick­punkten ge­trennt und funktion­ieren je Haus­einheit separat. Halb­runde Enden der Veran­den brechen an den Über­gängen die streng lineare Form auf. Einzelne Licht­höfe, die in die Veranda­schicht einge­schnitten sind, bringen hier zusätzlich Licht in die Wohn­räume. Die Architekten liessen sich dabei von den Arbeiter­sied­lungen aus dem frühen 20. Jahr­hundert in Mai­land inspi­rieren, den so­genan­nten Casa di Ringhiera. Einen ersten Pro­totyp setzten sie bereits mit ihrem gleich­namigen Projekt in Bellin­zona um, wo das Veran­da-Prinzip für die Siedlung Wald­acker erfolg­reich er­probt wurde.

Zertifikat Platin

Die Konstruktion der Wohn­häuser stellt ein weiteres identitäts­stiftendes Merk­mal der Siedlung dar: Sie besteht fast aus­schliesslich aus Holz. Die Häuser wurden als erste Schweizer Holz­bauten mit der höchsten Zerti­fi­zierungs­stufe (Platin) des Standards Nach­haltiges Bauen Schweiz (SNBS) aus­ge­zeichnet. Die Ver­wendung euro­päischer und Schweizer Hölzer senkt den CO2-Verbrauch im Bau­prozess. Und dank der effi­zienten Planung der Archi­tekten und Ingen­ieurin­nen kann der Holz­bau noch weitere Vorteile aus­schöpfen. Die Zeilen­bauten sind in Element­bau­weise konstru­iert und auf einem Ras­ter aus­gerichtet. Decken-, Wand- und Fassaden­elemente wurden im Werk vor­gevfertigt und als Halb­fertig­teile auf der Bau­stelle mon­tiert. Die sechs Häuser sind in ihrer Kon­zep­tion gleich, so­dass auch die Bau­ele­mente repetitiv produ­ziert werden konnten. Diese effi­ziente Planung führte zu einem kurzen Bau­prozess: Im Herbst 2020 wurde mit dem Bau der ersten Zeile be­gonnen, und zwölf Monate später konnten bereits die ersten Wohn­ungen be­zogen werden.

Eine kompakte Grundriss­ge­staltung und das Aus­lagern der Erschliessungs­zonen in den un­ge­dämmten Aussen­bereich führte zu weiteren ener­getischen Ein­sparungen, was sich in der guten Gesamt­bilanz nieder­schlägt. Je besser konstru­iert, desto energie­effi­zienter und auch preis­günstiger ist ein Bau­vor­haben. Das spiegelt sich nicht nur in den Kosten, sondern auch in den Miet­preisen. Mit 1500 Franken Monats­miete für eine 3,5-Zim­mer-Wohn­ung in einem zerti­fizierten Neu­bau liegen die Preise der Holz­siedlung Wald­acker unter dem Schweizer Durch­schnitt. Mit einem letzten Blick auf den Tröckne­turm in un­mittel­barer Nach­bar­schaft wird deut­lich: Holz ist nicht nur ein Bau­material der Ver­gangen­heit, sondern auch eines der wich­tig­sten für die Zu­kunft.

Bildnachweis

Ladina Bischof

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